Ein staubiger Pfad, eine grün-braun gefleckte Rasenfläche, davor der Kanal. Auf dem Rasen vereinzelt Bäume, Hundehäufchen, Zigarettenstümmel. Flaschen, grüne und braune, liegen faul herum, aber nie sehr lange. Ein toter Aal schwimmt im Kanal. Also „schwimmt“. Aber wenn die Sonne untergeht, taucht sie die Szene in einen Traum aus gold, rosa, orange und ein Schwan rekelt sich selbstverliebt im Glanz des Wassers. Ein dicker Mann füttert die Schwäne gönnerhaft mit alten Sesamringen. Vom anderen Ufer dröhnt Musik aus Bluetooth Lautsprechern und umnebelt chillende Teenies. Eine Berliner Idylle, hier treffen sich verliebte Pärchen, schwänzende Schülerinnen und all diejenigen, die tagsüber nirgends sein müssen. Der Berliner Sommer ist seltener und unzuverlässiger Gast aber wenn er kommt, sind sich alle einig: das wird gefeiert. Die Stimmung steigt, der Pegel auch, alle lieben sie sich und lächeln fröhlich und wenn sie lachen und dabei den Kopf in den Nacken werfen, schimmern ihre Nasenpiercings in der Sonne wie funkelnde Sterne. Das ist Berliner Bourgouisie; die, denen es gut geht trotz Keine-Kohle. Ein Bier, ein Falafelteller, vielleicht ein bissl Weed und ein paar Sonnenstrahlen. Das Urbankrankenhaus bildet den Backdrop ihres Treffpunkts, das graue Gebäude verschwindet trotz imposanter Größe im Hintergrund, unbeachtet, unbedeutend. Nur für die, die das Vivantes Klinikum am Urban auch von innen kennen ist das Gebäude nicht lediglich Standort zur Vereinfachung einer Verabredung; „Lass Urban treffen“. Es gab eine Zeit in meinem Leben, da war die graue Festung auch für mich nichts weiter als verschwommene Hintergrundkulisse, ich verabredete mich hier, mal mit einem Date, mal verliebt, mal mit Freunden zum Picknick, meißtens beschwipst. Und dann, von einem Moment auf den anderen wurde das Krankenhaus plötzlich zum Krankenhaus und ich machte mich auf den Weg zum grauen Block, den staubigen Pfad entlang, nicht zum Relaxen auf der Wiese davor, sondern zum Begleiten. Zum Essen vorbeibringen. Zum Trösten. Mut zusprechen. Und dann saß ich auf der Wiese und hörte die Musik nicht und sah weder Baum noch Schwan, ich guckte hoch und suchte das Fenster des Zimmers wo mein Freund lag. Winkte, falls er mich sehen konnte. Gab mir Mühe zu atmen und nicht in Schluchzern zu ertrinken vor Angst vor der Zukunft. Riß mich zusammen um dem Mann neben meinem Freund im Zimmer eine Dönerbox zu holen, weil er ja weder Frau noch Freunde hatte, die das für ihn taten. Und drinnen gibt‘s halt nur eine Scheibe Wurst auf Brot, ein Joghurt und auch mal eine Kiwi, aber die ist so hart, dass sie am Ende des Tages wieder eingesammelt wird. Drinnen weiß man, wie schön und kostbar das Leben da draußen auf der Wiese ist. Das Urban ist Backdrop des Lebens; während drinnen die Leute sterben und geheilt werden, verzweifeln und hoffen, nimmt das Leben davor seinen gewohnten Lauf; Hipster trinkt Bier, Flaschensammer greift nach leerer Flasche, Hund kackt auf Gras, Marie tritt hinein, ein Typ sitzt allein und hört Elektro aus seinem Lautsprecher, daneben ein Simon, der dagegen anspielt mit seiner Gitarre, eine Frau schützt mit wedelnden Armen ihr Bier vor Wespen. So geht the Circle of Life vorm Urban, Treffpunkt der Gesunden und Glücklichen, vorm schönsten Sonnenuntergang Berlins. Ein Krankenhaus als Kulisse für das idyllische Leben.
thandisebe
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